Reise-Berichte


Wanderful 2024

Es gibt vieles, was man alleine schaffen kann, und es gibt Dinge, die erst richtig gut werden, wenn man sie gemeinsam tut. Das Projekt Wanderful bringt seit fast zehn Jahren Hauptschüler:innen der Werner-von-Siemens-Schule Bochum, ihre Lehrer:innen und Studierende der Universität Witten/Herdecke für das Abenteuer ihres Jahres zusammen: Sie alle gehen gemeinsam wandern. Zwischen ca. 20 Zelten, die täglich auf- und abgebaut werden müssen, tagelangem Regen, 30 km Wanderstrecke, Heimweh, 100 Blasenpflastern und verlorenen Schuhen ist das gar nicht so einfach. Und zwar für alle, die dabei sind. Aber wo Herausforderungen sind, ist auch die Chance, viel Neues zu lernen. Aus dieser Idee ist das Projekt entstanden, immer mit dem Ziel, miteinander und voneinander zu lernen. 

 

In diesem Jahr sind wir für das 10-tägige Projekt den Zöllnerpfad (GR34) in Frankreich weitergelaufen. Und haben, wenn auch nicht ganz freiwillig (aber dazu später mehr), 130 km geschafft. Am 24. Mai gegen 18 Uhr standen wir alle zusammen vor der Werner-vonSiemens-Schule in Bochum. Die vielen Koffer auf dem Bürgersteig waren sehr unterschiedlich groß, aber alle Besitzer:innen waren gleich aufgeregt. Doch zunächst war Geduld gefragt: 14 Stunden Busfahrt brachten uns nach Lannion in der Bretagne. Gerade als die letzten der 32 Schüler:innen um sechs Uhr morgens aus dem Bus gestolpert kamen und ihre Handys abgegeben haben, hieß es auch schon: Los, wandern! Es ging von Lannion nach St. Efflam. Das Aufwachen fiel fast leicht, wir hatten einen Blick auf die wunderschöne Steilküste und liefen durch verträumte Dörfer mit roten Blümchen an den Fenstern. Das erste „Wann sind wir endlich da“ ließ nicht lange auf sich warten. Und wir waren stolz auf alle, denn nach so einer Nacht im Bus ganz fröhlich zu wandern, ist gar nicht so einfach. Am Abend dann die alles entscheidende Premiere, zum ersten Mal mussten alle Zelte und die Außenküche komplett aufgebaut werden. Danach konnten wir uns wenigstens trösten, es konnte ja nur besser werden. Jeweils zwei Studierende trafen sich abends mit sieben Schüler:innen in den sogenannten „Peer Groups“. „Was wünscht ihr euch für die Reise?“ „Wann war es eine gute Reise?“ Für diejenigen, die kein Deutsch sprechen, wurde untereinander übersetzt. In den Peer-Groups wird sich nicht nur umeinander gekümmert und die Reise reflektiert, sondern es werden auch Dienste erledigt. Abwaschen, Frühstück machen, Abendessen kochen - und das Highlight der Schüler:innen, die Wanderung anführen. 

 

Am nächsten Morgen um 7 Uhr läuft leise Musik auf dem Campingplatz. Es läuft „Best Life“ oder „Ma Jolie“. Jetzt heißt es anziehen, fertig machen, Sachen packen und Zelte abbauen. Eine Gruppe schneidet schon Obst und Baguette. Hier und da hört man ein Murren, viele Schüler:innen waren noch nie campen. Für den zweiten Tag steht eine 10 km Wanderung auf dem Programm, es geht nach Fond de la Baie. Kurz vor dem Start fängt es an zu regnen und es sollte auch so schnell nicht wieder aufhören. Kein Problem für die Gruppe, auch im strömenden Regen liefen wir los. Steilküste, dazwischen Sandstrände. Wer keine Regenhose hatte, war nach kurzer Zeit durchnässt. Trotzdem ließ es sich niemand nehmen, an einem der Strände zu baden, das bietet sich an, wenn man schon so nass ist. „Ich habe noch nie das Meer gesehen“, sagt eine Schülerin. Sie lacht. Auf dem Weg sprachen wir über die Schule, das Studium, darüber wie viele der Schüler:innen nach Deutschland gekommen sind, singen Taylor Swift oder üben zusammen Französisch. Auch im Regen bauten wir abends unsere Zelte auf, aber das störte fast keinen, denn sie standen auf einem Hügel mit direktem Blick aufs Meer. 

 

Am nächsten Morgen begann der beliebte Pausentag. Die Peergroups spielen in einer Strandolympiade gegen ihre Lehrer:innen. Die Sonne scheint wieder, zumindest für eine Weile. Später gab es ein Fußballturnier am Strand, und oben im Camp wurden KeKen und Ohrringe gebastelt. Alle sind erleichtert, dass nicht gepackt und abgebaut werden muss. Am nächsten Morgen standen wir noch früher auf. Es war 6:30. Es stehen 24 km auf dem Plan. Wie immer laufen die Schüler:innen der Routenführung hinten und vorne, sie kümmern sich darum, dass sich keiner verirrt und alle – zumindest irgendwann, ankommen. Die Schüler:innen wissen, sie sind alle ein Team. Die schnellsten am Campingplatz bauen die Zelte auf, das ist die Regel, aber wir brauchen sie fast nie, die Gruppe bleibt über alle Tage zusammen. Die Stimmung ist lockerer als an den ersten Tagen, alle kennen sich, haben die letzten Tage viel zusammen erlebt. Es ist die schwerste Wanderung des gesamten Trips, so dachten wir zumindest. An diesem Tag sind nicht die Kilometer das schwierigste, sondern die Höhenmeter. Es geht stundenlang hoch und runter. Einige Schüler:innen hinten wollen aufgeben. „Ich kann das nicht,“ und „Ich schaffe das nicht,“ sagten sie. Abends saßen alle ganz ruhig beim Abendessen, hier und da sah man ein Lächeln. Alle haben es geschafft, auch wenn sie überzeugt waren, sie könnten es nicht. 

 

Die nächsten Tage laufen wir 13 und 14 km. Alles scheint jetzt im Vergleich einfach. Auch das mit den Zelten funktioniert besser. Zur Mitte der Woche hörte man noch hier und da ein „ich will nachhause“. Jetzt nicht mehr. „Nur noch zwei Tage,“ hörte man jetzt als Seufzen. Die Sonne strahlt. Wir liefen am Meer entlang. Am Freitagabend wartet ein Highlight auf die Schüler:innen. Wir übernachten in einem Schloss mit Blick aufs Meer. Im Chateau Kersaliou gibt es Pizza und abends tanzten die Schüler:innen zusammen. Am Ende sitzt niemand mehr auf den Stühlen am Rand. Die Gruppe mischt sich immer mehr, auch wenn sie alle in unterschiedlichen Klassenstufen sind. Die Ältesten verlassen in vier Wochen die Schule. „Ich weiß nicht, wie es danach weitergeht,“ sagte eine Schülerin abends auf der Treppe vor dem Schloss. „Du musst es noch nicht wissen,“ sagte eine Studentin. Nachts hört man noch lange das Kichern aus den Zimmern der Schüler:innen. Um 8 Uhr morgens wird aber wieder gewandert.

 

Am letzten Wandertag steht nochmal eine 20 km Wanderung an. Es ist eine der schönsten der gesamten Zeit. Dann kommt das Problem: Wir hatten uns mit der Ebbe verschätzt und kamen einfach nicht auf die andere Seite der Landzunge. Also hieß es warten. Die Schüler:innen schwammen im Meer. Stunden später kam die Krisensitzung. Die Abkürzung konnte immer noch nicht überquert werden. Wir müssen ganz außen rumlaufen. Und damit 30 km wandern. Wir entschuldigen uns und machen uns auf Protest der Schüler:innengefasst, doch er bleibt aus. „Wir schaffen das!“ sagen sie stattdessen und laufen störrisch los. Um acht Uhr abends kommen wir an, nach 12 Stunden. Die Schüler:innen fangen an zu kochen, andere bauen die Zelte auf. Alle sind richtig fertig, stolz und auch traurig, es ist der letzte Abend. Die Stimmung ist deutlich, wir haben alle richtig etwas geschafft. Am nächsten Morgen liegen wir alle am Strand, der Bus zurück nachhause kommt nachmittags. Im Bus kriegt jeder ein kleines Buch. Die Schüler:innen können sich gegenseitig hineinschreiben, was sie miteinander erlebt haben und was sie aneinander mögen. Die Bücher wandern hin und her. Dann ist es ganz still, alle schlafen. Es ist viel passiert. Viele der Schüler:innen sind während dieser zehn Tage an ihre Grenzen gekommen und haben sich immer wieder bewiesen, dass es für sie trotzdem immer weitergeht. Sie haben Dinge erlebt und gesehen, wie noch nie davor. Und vor allem hatten wir alle zusammen richtig viel Spaß. Vor der Schule umarmen die Schüler:innen die Studierenden. „Danke“, sagen viele.

Routen

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